Schadenersatz: Keine Machtlosigkeit des Arbeitnehmers bei Beleidigungen

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 22.04.2006

Schadenersatz: Keine Machtlosigkeit des Arbeitnehmers bei Beleidigungen

 

Veranlasst ein Arbeitnehmer durch beleidigende und mit Nötigungsabsicht erfolgte Telefonanrufe einen anderen Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zu kündigen, so haftet er diesem gegenüber nach allgemeinen Vorschriften. Ohne zeitliche Beschränkung umfasst dies grundsätzlich den Ersatz der infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgangenen Vergütung. Diesen Leitsatz hat das Hessische Landesarbeitsgericht (Az.: 7 Sa 520/05 v. 7. 11. 2005) aufgestellt und damit bewirkt, dass den Personalleiter eines Unternehmens seine Äußerungen teuer zu stehen kamen.

Der in leitender Funktion tätige Kläger war von einem weiteren Arbeitnehmer tätlich angegriffen und verletzt worden. Der Kläger war deswegen geraume Zeit arbeitsunfähig. Aus der Entscheidung nicht näher zu entnehmenden Gründen wollte der Personalleiter des Unternehmens den Kläger offenbar dazu bewegen, strafrechliche Schritte gegenüber dem Angreifer zurückzuziehen. Nachdruck verlieh er diesem Ansinnen damit, dass er den Kläger mehrere Male auf dessen Anrufbeantworter als „Schauspieler, Simulanten, Weib, Hure, Drecksack und Arsch“ bezeichnete und dem Kläger ferner ankündigte, „er kriege so auf den Sack, wenn er nicht das Ding zurückziehe“.

 

Daraufhin kündigte der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber wurde in diesem Zusammenhang bereits in einem anderen Verfahren zur Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von 5000,00 € gemäß § 628 Abs. 2 BGB verurteilt, währenddessen darüber hinausgehende Schadenersatzansprüche in diesem Verhältnis wegen entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften abgelehnt wurden. Der Kampfgeist des Klägers lohnte sich jedoch. In einem weiteren Verfahren nahm er den Personalleiter persönlich in Anspruch und verlangte von diesem den Differenzbetrag zwischen Arbeitslosengeld und seiner ursprünglichen Vergütung bis zu dem Zeitpunkt, in dem er eine neue Beschäftigung gefunden hatte. Nachdem das Arbeitsgericht noch gegen ihn entscheiden hatte, muss der Personalleiter nach der eingangs erwähnten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts nunmehr rund 10.500,--€ Schadenersatz an den Kläger zahlen. Die Landesarbeitsrichter sahen den Fall ganz klar: Der Verdienstausfall ist allein auf das Verhalten des Personalleiters zurückzuführen, weswegen dieser unbeschränkt nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen haftet.

 

Der Fall stellt zwar eine gewisse Ausnahme dar, zumal der Personalleiter dem Arbeitnehmer die Beweisführung durch Dokumentation seiner Äußerungen auf dem Anrufbeantworter leicht gemacht hatte, allerdings zeigt die Entscheidung, dass es durchaus probate Mittel als Antwort auf rabiate und unter die Gürtellinie gehende Äußerungen von Vorgesetzten gibt.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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